Georgien zählt zu den
fruchtbarsten Regionen in Europa. Selbst in schwierigsten
politischen Zeiten war Hunger im Süd-Kaukasus selten ein Problem.
In den Jahrzehnten des Sowjetregimes war Georgien – neben der
Ukraine – einer der wichtigsten Nahrungsmittellieferanten unter
allen sowjetischen Teilrepubliken. Ob Gemüse, Obst, Milch, Wein,
Honig, Tee oder Mineralwasser – Georgien als Herkunftsregion bürgte
und bürgt für Qualität.
So fand, trotz des russischen
Einfuhrverbots für georgische Produkte nach dem Augustkrieg 2008,
zum Beispiel, das berühmte georgische Mineralwasser aus Borjomi,
einem Kurort mit legendären Heilquellen, seinen Weg in Restaurants
und Bars von Moskau oder St. Petersburg, um dort für
Champagnerpreise angeboten zu werden.
Mit der politischen Unabhängigkeit, 1991, ging freilich auch eine
wirtschaftliche Abkoppelung von Moskau einher; für die georgische
Landwirtschaft glich das einem Zusammenbruch. Traditionelle Märkte
und zuverlässige Abnehmer gingen verloren, Eigentumsverhältnisse
mussten (und müssen) geklärt, Wissen, Erfahrung und effiziente
Strukturen neu aufgebaut werden. Sektoren wie der Anbau des einst
legendären georgischen Tees oder die Produktion und Verarbeitung
von Milch brachen nahezu vollständig zusammen; selbst Obstplantagen
blieben sich selbst überlassen und verwilderten.
Mehr als ein Jahrzehnt verlor das Land, bedingt durch, einerseits,
den Bürgerkrieg mit der abtrünnigen Region Abchasien, andererseits,
wegen der massiven Vetternwirtschaft und Korruption unter Eduard
Schewardnadze.

Mit vielfätligen
landwirtschaftlichen Produkten bedeckte Marktstände sind, wie hier
auf dem Dezeter Bazaar in Tbilisi, keine Seltenheit in Georgien. (©
Georgia About)
Ab 2004 war die Wiederbelebung der Agrarwirtschaft neben dem Aufbau
des Tourismussektors einer der Schwerpunkte im Regierungsprogramm –
blieb zunächst allerdings fast ausschließlich auf den Weinbau
beschränkt. Seit Übernahme der Regierung durch die Partei
„Georgischer Traum“, 2012, trat an die Stelle einer punktuellen
Förderung das Ziel eines umfassenden, strategisch geplanten und
umgesetzten Neuaufbaus des Agrarsektors in Georgien. Außer für
einheimische Landwirte und Nahrungsmittelhersteller soll damit die
Produktion und Verarbeitung landwirtschaftlicher Güter in Georgien
auch für ausländische Investoren attraktiv werden.
Die Zwischenbilanz ist beachtlich, wie, zum Beispiel, die
Ergebnisse des Nachbarschaftsprogramms der EU für die Entwicklung
des landwirtschaftlichen Sektors und des ländlichen Raums (ENPARD)
zeigt. Zwischen 2014 und 2017 profitierten 250.000 Landwirte und
landwirtschaftlich Beschäftigte von diesem Programm.
Zahlreiche neue landwirtschaftliche Genossenschaften wurden
gegründet; in 1.500 Kooperativen sind heute 15.000 Bauern
vereinigt. Die Wertschöpfung der Betriebe in den Genossenschaften
hat sich seit 2014 um durchschnittlich 37% erhöht; das Einkommen
der Landwirte um durchschnittlich 30%. Die Zahl der Beschäftigten
in georgischen landwirtschaftlichen Kooperativen hat sich seit 2014
verdoppelt, wobei mehr als die Hälfte davon Frauen sind. Die
Landwirtschaft ist damit der wirtschaftliche Sektor mit dem
höchsten Frauenanteil überhaupt – nicht nur auf der Ebene der
Arbeiterinnen übrigens, sondern auch auf der Führungsebene. Sogar
die Führung des Verbands der georgischen Landwirte liegt, sehr
erfolgreich, in Frauenhand.
Von den insgesamt 150 Millionen GEL (umgerechnet etwa 52 Millionen
Euro), die seitens der EU für ENPARD II zur Verfügung gestellt
wurden, profitierten 2.000 Landwirte in 280 Genossenschaften in
Form direkter finanzieller Unterstützungen (Gesamtvolumen 13
Millionen GEL bzw. 6.5 Millionen Euro); 8.000 Landwirte oder
landwirtschaftlich Beschäftigte nahmen an Kursen zur Aus- und
Weiterbildung teil. In 250.000 Fällen wurde Hilfe in Form von
einmaliger oder mehrmaliger Beratung durch eines der insgesamt 59
Informationszentren gegeben, die in allen Regionen des Landes an
gut erreichbaren Stellen aufgebaut wurden.
Ein weiteres wichtiges Projekt für einen an höchsten modernen
Standards orientierten Neuaufbau der Landwirtschaft in Georgien war
die Entwicklung und Einführung von Apps – sei es mit sachlichen
Informationen, sei es mit technischen Anleitungen, zu Marktpreisen
oder zum Wetter.

Der georgische Agrarminister
Levan Davitashvili (links) präsentiert dem EU-Botschafter zu
Georgien, Janos Herman, dem georgischen Außenminister, Mikheil
Janelidze, und dem georgischen Premierminister, Giorgi
Kvirikashvili, (v.l.n.r.) typische landwirtschaftliche Produkte aus
Georgien. ( © Büro des Premierministers)
Im Rahmen der Konferenz „For a Better Rural Life“ stellten der
Botschafter der EU in Georgien, Janos Hermann, und der
Premierminister von Georgien, Giorgi Kvirikashvili, die Ergebnisse
des EU-Förderprogramms im Dezember in Tbilisi vor.
Kvirikashvili bezeichnete dabei die Kooperation mit der EU im
Bereich der Landwirtschaft als „essenziell“ und bedankte sich neben
der bereits empfangenen auch für die neu zugesagte Unterstützung.
Von 2018 bis 2022 sollen im Rahmen des Programms ENPARD III weitere
77,5 Millionen Euro speziell für die Entwicklung des ländlichen
Raums zur Verfügung stehen.
Ziel ist es vor allem, die Wettbewerbsfähigkeit von georgischen
Produkten zu verbessern. Viele georgische Produkte können noch
nicht in die EU exportiert werden, weil sie entweder die sehr
komplexen Lebensmittelstandards der EU nicht erfüllen; oder weil
sie nicht gemäß den Vorschriften des EU-Marktes zertifiziert sind.
Diese Lücke soll bis in vier Jahren weitestgehend geschlossen sein.
Die Verbraucher in der EU können sich freuen – und schon mal Wörter
wie „Tschurtschchela“, „Katschapuri“ oder „Solghumi“ lernen: Das
sind Leckereien, die ab dann auf keiner Tafel mehr fehlen
werden.
Und wer noch nicht weiß, in welcher Branche er gewinnbringend
investieren könnte – der sollte die georgische Landwirtschaft
zumindest mit in Betracht ziehen.