Die US-amerikanische
Nichtregierungsorganisation Freedom House hat mit einer Abwertung
von Georgien auf ihrem Demokratieindex für Unverständnis und
Widerspruch nicht nur bei der georgischen Regierung, sondern auch
bei Vertretern der EU gesorgt.
Der so genannte "Nations in
Transit"-Bericht analysiert und bewertet im Jahresrhythmus die
demokratische Entwicklung der Staaten in Osteuropa und
Zentralasien. Verantwortlich zeichnet sich eine Gruppe ausgewählter
Wissenschaftler, politischer Beobachter und NGOs. In dem jetzt
vorgelegten Bericht für das Jahr 2017 werden 19 von 29 Ländern
schlechter bewertet als im Vorjahr. Darunter auch Georgien, dessen
attestierter "Demokratiewert" von 4,61 auf 4,68 sank - auf einer
Skala zwischen 1 (uneingeschränkt demokratisch funktionierende
Gesellschaft und Politik) bis 7 (autoritäres System).
Die georgische Regierung gilt damit weiterhin als „Transitional
Government or Hybrid Regime“.
Grund für die Abwertung waren "negative Entwicklungen" in den
Kategorien „Independent Media“ (wegen der "politisch motivierten
Besetzung führender Posten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und
TV") sowie „Judicial Framework and Independence“. Deutlich
kritisiert der Bericht auch die nach wie vor ungeklärte Entführung
des aserbaidschanischen Journalisten Afghan Mukhtarli, sowie die
Rolle des Milliardärs und Gründers der heutigen Regierungspartei
(Georgian Dream), Bidzina Ivanishvili, dem die Autoren ein hohes
Maß an Einflussnahme auf jegliche politischen Entscheidungen in
Georgien unterstellen - indes auch zugleich bekennen müssen, dass
es keine Belege dafür gibt.
Im Fazit kommt der Bericht zu dem Schluss, dass Georgien zwar nicht
vor einer Trendwende stehe. Die regierende Partei müsse aber eine
bessere Balance finden zwischen der Konsolidierung ihrer
exponierten Stellung im Parteiensystem und der aufrichtigen
Förderung einer demokratischen Entwicklung im Land.
Zivilgesellschaft immer aktiver
Vieles spreche dafür, dass Georgien seinen demokratischen Kurs
erfolgreich fortsetzen könne. Neue Oppositionsparteien wie
„Europäisches Georgien“ (hervorgegangen aus einer Absplitterung der
Saakashvili-Partei „Vereinigte Nationale Bewegung“) hätten sich
etablieren können, die Zivilgesellschaft werde immer aktiver und
die junge Generation an Georgierinnen und Georgier hätten begonnen,
Themen zu artikulieren, die von der Politik bislang unzureichend
diskutiert würden, so, zum Beispiel, Homosexualität, Umwelt- und
Naturschutz, Liberalisierung der Drogengesetze.
Nicht nur bei Vertretern der georgischen Regierung stießen der
Freedom-House Bericht und die darin geäußerte Kritik auf
Unverständnis und deutlichen Widerspruch. Auch der Beauftragte der
EU in Georgien, Janos Herman, sagte, die EU teile die Beurteilung
und die Begründung für die Abwertung nicht. (Janos Herman: "Ich
kann bestätigen, dass die EU nicht die Besorgnis von Freedom House
über die Situation des Rechtsstaates und der Medienfreiheit in
Georgien teilt.")
Kritik an Bewertung Georgiens
Der georgische Premierminister, Giorgi Kvirikashvili, und der
Sprecher des georgischen Parlaments, Irakli Kobakhidze, Mitglied
der Regierungspartei, nannten die Abwertung Georgiens
ungerechtfertigt und warfen Freedom House und den mit der
Nichtregierungsorganisation zusammenarbeitenden Akteuren
Voreingenommenheit vor.
So seien die seit 2012 verwirklichten und international sehr
gewürdigten Verbesserungen beim Schutz der Menschenrechte und der
Medienfreiheit bislang nicht in angemessener Weise in die Wertungen
des Demokratieindexes eingeflossen.
Vor 2011/2012 (als die Regierung unter Mikheil Saakashvili
abgewählt wurde und "Georgian Dream" die Regierung übernahm), sei
es zu abscheulichen Verbrechen gegen die Menschenrechte gekommen,
und die Justiz sei praktisch komplett vom Justizministerium
kontrolliert worden. Aber obwohl dies anerkanntermaßen seit 2012
nicht mehr der Fall sei, sei es bislang von Freedom House
unberücksichtigt geblieben.
Nate Schenkkan, Projektleiter "Nations in Transit", weist die
Kritik am Bericht zurück. (Bildquelle: Georgia Today)
Der Projektleiter für den Bericht „Nations in Transit“ von Freedom
House, Nate Schenkkan, hat indessen auf die Kritik an dem Bericht
reagiert. „Freedom House und Nations in Transit verfolgen ihre
analytische Arbeit auf unabhängige Art und Weise, was durch die
Punktebewertung von Georgien sowohl unter der Regierung der
„Vereinigten Nationalen Bewegung“ (UNM) als auch unter der
Koalition „Georgischer Traum“ (GD) klar ersichtlich ist“, so
Schenkkan.
Die internationale Nichtregierungsorganisation hat ihren Sitz in
Washington, D.C. Der „Nations in Transit“-Bericht wird seit 1995
veröffentlicht und gilt eigentlich unangefochten als unabhängiger
und sehr fundierter Orientierungsmaßstab.