Im Fall des in Tskhinvali /
Süd-Ossetien verschleppten und in Polizeigewahrsam zu Tode
gekommenen Archil Tatunashvili hat sich erstmals ein
Familienmitglied öffentlich geäußert. In einem Interview mit einem
georgischen TV-Sender sagte die Mutter von Archil Tatunashvili:
„Mein Sohn wurde nicht nur ermordet. Mein Sohn wurde brutal
gefoltert und dann hingerichtet.“
Im Detail beschreibt Rusudan
Tatunashvili die Verletzungen und Wunden, die der Leichnam ihres
Sohnes aufwies: Seine Hände seien wie bei einer Kreuzigung von
Nägeln durchbohrt gewesen. In seinen Fingern hätten Eisensplitter
gesteckt. Fingerkuppen seien zertrümmert, die Handrücken zerfetzt
gewesen. Das Gesicht und die Beine hätten Merkmale von Schlägen
aufgewiesen. Ihr Sohn müsse unmenschliche Schmerzen durchlitten
haben, bevor man ihn schließlich mit einem Kopfschuss hingerichtet
habe.
Hinweis auf eine Hinrichtung
Die georgischen Behörden und die dazu geholten unabhängigen
Experten hatten nach der Obduktion von Tatunashvilis Leichnam zwar
mitgeteilt, dass der Leichnam „am gesamten Körper eindeutige
Zeichen von Folter“ aufweise, waren aber nicht in Details gegangen,
weil sie dem offiziellen Abschlussbericht nicht vorgreifen
wollten.
Auch von einer Erschießung Tatunashvilis war bislang von
offizieller Seite nicht die Rede. Was insofern von besonderer
Bedeutung wäre, als dies endgültig die süd-ossetischen
De-Facto-Behörden der Lüge überführen würde, die nach wie vor
behaupten, Tatunashvili habe auf der Polizeiwache nach der Pistole
eines Polizisten greifen wollen und sei im anschließenden
Handgemenge eine Treppe hinabgestürzt.
Rusudan Tatunashvili beschreibt in dem TV-Interview indes die
Schusswunde am Kopf ihres Sohnes im Detail: „Die Kugel drang rechts
oben in seinen Kopf ein und kam am linken Ohr wieder heraus.“ Was
darauf hindeuten würde, dass ihm eine Pistole von rechts oben an
die Schläfe gehalten worden sein müsste.
Tatunashvili war regelmäßig nach Tskhinvali gefahren um dort Obst
und Gemüse zu verkaufen. Er besaß, wie alle in seiner Familie, eine
Sondergenehmigung dafür, die Verwaltungslinie zu übertreten und
Handel zu treiben. Auf seiner letzten Fahrt habe ihn die Polizei in
Akhalgori (Stadt in Süd-Ossetien) unter einem Vorwand zunächst auf
die Wache mitgenommen und dann an die Polizei in der Hauptstadt der
Region überstellt. Dort sei ihm vorgeworfen worden, einen
terroristischen Anschlag während der russischen
Präsidentschaftswahlen zu planen, die auch – unter schärfstem
Protest der internationalen Gemeinschaft – in den besetzten
Gebieten durchgeführt wurden.
Von offizieller Seite war auf Anfrage auch jetzt noch keine
Auskunft zu weiteren Details zu bekommen. Unterdessen hat
Premierminister Giorgi Kvirikashvili die unbeirrte
Fortsetzung der georgischen Versöhnungspolitik bekräftigt.
Die georgische Politik baue auf Frieden, Verständnis und
schrittweiser Annäherung.
Margvelashvili: "Der Schmerz vereint uns"
Sollte der Mord an Archil Tatunashvili gezielt erfolgt sein, um die
georgische Gesellschaft über diesen Kurs ihrer Regierung zu
entzweien, wie es verschiedentlich behauptet wurde, so ist dieses
Vorhaben gescheitert. Vereint wie selten zuvor wehrt sich Georgien
derzeit gegen das Unrecht in Form der Besetzung seiner Gebiete und
der Verletzung der Menschenrechte seiner Bürger. Nicht nur die
verabschiedete
Resolution zeugt davon. Präsident Giorgi Margvelashvili
formulierte es so: „Der Schmerz
vereint uns.“